Berliner Bezirksamt berechnet Tafellebensmittel als Einkommen und kürzt Sozialleistungen

Ein Berliner gibt in seinem Wohngeldantrag an, Lebensmittel von der Tafel zu beziehen – das Lichtenberger Bezirksamt rechnet ihm daraufhin knapp 3.000 Euro jährlich als Einnahmen zu seinen Ungunsten an.

Die Vorsitzende der Berliner Tafel, Sabine Werth, ist entsetzt: „Dieses Vorgehen ist willkürlich und rechtswidrig. Die Berliner Tafel ist ein unabhängiger Verein, der schon immer bewusst auf staatliche Fördergelder verzichtet hat, um genau diese unzulässige Verknüpfung von zustehenden Sozialleistungen und freiwilligen Lebensmittelspenden zu vermeiden.“

Im Sommer 2018 stellt ein Berliner in Lichtenberg einen Antrag auf Wohngeld und gibt an, Lebensmittel von einer LAIB und SEELE-Ausgabestelle zu beziehen. LAIB und SEELE ist eine Aktion der Berliner Tafel, der Kirchen und des rbb. Das Bezirksamt reagiert mit einem Bescheid, in dem es 2.892 Euro pro Jahr als „Sachbezug Tafel“ und damit als Einkommen zu Ungunsten des Antragstellers zugrunde legt. Der Mann legt Widerspruch ein; der wird im Frühjahr 2019 ­abgelehnt.

In der Ablehnung des Widerspruchs führt das Amt aus, dass es den „Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung auf monatlich 241 Euro“ festsetzt, die sich in 51 Euro für das Frühstück, 95 Euro für das Mittagessen und 95 Euro für das Abendessen aufschlüsseln.

Hierzu stellt die Berliner Tafel fest: Diese Summen sind willkürlich festgelegt und entbehren jeder Grundlage. Die 45 Berliner LAIB und SEELE-Stellen geben einmal pro Woche Lebensmittel an bedürftige Menschen in ihrer Nachbarschaft ab. Die Menge der abgegebenen Lebensmittel ist immer nur eine Unterstützung für wenige Tage, niemals eine vollständige Versorgung.

Die Lichtenberger Entscheidung enthält laut einer juristischen Überprüfung durch die Berliner Tafel diverse Fehler, die hier nicht im Einzelnen erklärt werden können und sollen. Entscheidend ist vor allem die unzulässige Anrechnung von freiwilligen Lebensmittelspenden. „Der Staat hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürger*innen, der er nachkommen muss. Diese Pflicht darf in keiner Weise mit dem gemeinnützigen, ehrenamtlichen und freiwilligen Engagement der Berliner Tafel verrechnet werden,“ sagt Sabine Werth.

Bereits bei ihrer Gründung vor 26 Jahren hat sich die Berliner Tafel bewusst gegen öffentliche Fördergelder entschieden: einerseits, um nicht die Zuwendungen für andere soziale Einrichtungen zu schmälern und andererseits, um unabhängig zu bleiben und genau dieser unrechtmäßigen Verquickung von staatlicher Pflicht und ehrenamtlichem Engagement vorzubeugen.

Die Berliner Tafel distanziert sich aus den genannten Gründen auch von dem aktuellen Statement des Bundesverbands Tafel Deutschland, in dem er vor kurzem „eine staatliche Unterstützung zur Grundfinanzierung der Tafel-Arbeit“ gefordert hat.

 

 

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